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Wittener Forscher nehmen Wasserwerk in Vietnam „online“ in Betrieb

IEEM hat wegen Corona den komplexen Montageablauf über 12.000 Kilometer ferngesteuert – Weltpremiere

Wie nimmt man ein Kleinwasserwerk mit innovativer Membrantechnologie mitten im Mekong-Delta in Vietnam in Betrieb, wenn die Techniker wegen der Corona-Krise und der Reisebeschränkungen nicht hinreisen können und einheimische Techniker nicht verfügbar sind? Diese Aufgabe hat das Institut für Umwelttechnik und Management an der Universität Witten/Herdecke (IEEM) jetzt quasi „online“ gelöst: „Wir haben mit unserem Team in Vietnam alles genauestens besprochen und mit unserem Technologiepartner Martin Systems aus Berlin eine Montageanweisung auf Englisch und Vietnamesisch verfasst, in der alle Einzelheiten und denkbaren Probleme vorab beschrieben sind“, sagt Judith Zimmer, die verantwortliche Projektingenieurin. Und der Institutsleiter Prof. Dr. Karl-Ulrich Rudolph ergänzt: „Mit Microsoft Teams und WhatsApp haben die Ingenieure in Witten und Berlin den Prozess begleitet und versucht, die Probleme auf der Baustelle eindeutig nachzuvollziehen. Eine derartige HighTech Anlage ohne Anwesenheit eines geschulten Technikers zu montieren, das hat unseres Wissens so noch keiner auf der Welt gemacht.“

Bei dem Projekt, das von den Forschungsministerien in Deutschland und Vietnam gefördert wird, geht es darum, auch Menschen in abgelegenen Regionen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. „Kleine, abgelegene Siedlungen sind häufig nicht an ein Leitungssystem angeschlossen, die Grundwasservorräte sind aber erschöpft, die Brunnen versiegen oder versalzen, und das Flusswasser immer stärker verschmutzt“ beschreibt Judith Zimmer die Situation vor Ort. Betroffen von Versorgungsnotständen seien im Mekong-Delta etwa 4 Millionen Menschen, die sich bisher aus lokalen Brunnen oder mit Flusswasser gut versorgen konnten. Das rasante Wachstum von Industrie und Bevölkerung habe dazu geführt, dass in China und den übrigen Anrainerstaaten, aber auch in Vietnam selbst, zu viel Grund- und Flusswasser entnommen und verschmutzt wird – mehr als sich natürlich wieder regenerieren kann. Hinzu kämen die Folgen des Klimawandels.

Karaoke aus dem Kindergarten hätte das Projekt fast zum Scheitern gebracht  – und hat es am Ende gerettet.
Wie so oft sind die Details das, was ein Projekt fast zum Scheitern bringt und es sind am Ende dann glückliche Umstände, durch welches das Projekt gerettet werden kann. Natürlich gehörten Video-Telefonate über Internet und Fotos mit Details zur Anlagen-Montage zur Arbeitsgrundlage. Etwas ungewöhnlich waren aber die Zeiten: wegen der Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Vietnam (mitteleuropäischer Zeit fünf Stunden voraus) begannen die Schichten in Deutschland häufig frühmorgens um 3 Uhr. Eine Herausforderung der „besonderen Art“ war ein Kindergartenfest in unmittelbarer Nähe der Baustelle, das die Arbeiten mit traditioneller Karaokemusik beschallte, weshalb während dieser Zeit auf Grund des Geräuschpegels die Kommunikation ausschließlich fernschriftlich und per Chat erfolgen konnte. Was sich als Hindernis und Glücksfall gleichzeitig erweisen sollte, denn der bestellte Gabelstapler war nicht gekommen, und die Monteure konnten das schwere Gerät nicht alleine bewegen. Aber wegen des Karaoke-Festes war ein gutes Dutzend junger Väter vor Ort und bereit mit anzupacken. Unter Anleitung der Ingenieure in Witten und Berlin gelang es, die schwere Membrananlage gemeinsam in das Betriebsgebäude zu bugsieren. Trotz solcher und anderer Herausforderungen und Dank der Flexibilität und Kreativität aller Beteiligten konnte die Anlage erfolgreich installiert und in Betrieb genommen werden. Nun folgt eine mehrmonatige Test- und Demonstrationsphase, um die Anlage einzufahren, ggf. nach zu optimieren und schließlich den verlässlichen Betrieb unter Beweis zu stellen.

Das IEEM betreibt noch weitere Auslands-Projekte, für die es ähnliche Lösungen finden muss: Aktuell geht es um die Instandsetzung von Messgeräten am Elefantenfluss im Krügerpark Südafrika und um Probleme im laufenden Betrieb einer Kläranlage in Namibia. In Afrika kommt das wackelige Internet als zusätzliche Erschwernis hinzu, während Süd-Ost-Asien (einschließlich abgelegener Orte im vietnamesischen Mekong-Delta) diesbezüglich eher besser aufgestellt sei als Deutschland.